Mediation – Chancen in handelsrechtlichen Streitigkeiten

Kammern für Handelssachen entscheiden wirtschaftsrechtliche Streitigkeiten mit kaufmännischer Sachkunde und kennen den Wert von branchensensiblen, pragmatischen Lösungen. Mediation kann – vor Einreichung der Klage – ein strategisches Instrument sein, um Zeit, Kosten und bestehende Geschäftsbeziehungen zu schonen und dennoch rechtssichere Ergebnisse zu erreichen. Gesetzlich ist Mediation seit 2012 im Mediationsgesetz verankert. Die ZPO (§ 278a) erlaubt zudem, dass Gerichte eine Mediation anregen. Die Kammern für Handelssachen sind systemisch prädestiniert, Parteien auf passende außergerichtliche Wege hinzuweisen – wie es eine Mediation sein kann.

Was „vorgerichtliche“ Mediation leisten kann – Die wichtigsten Gründe aus Sicht der Wirtschaft

1) Geschwindigkeit erhöhen: Mediationen lassen sich kurzfristig terminieren; Ergebnisse entstehen in Wochen anstelle nach vielen Monaten oder erst Jahren. Damit schafft eine Mediation ggf. auch wirtschaftliche planbare Ergebnisse für die beteiligten und minimiert ggf. das gesamtwirtschaftliche Risiko einer unterlegenen Partei.

2) Kostenkontrolle: Im Vergleich zu streitigen Verfahren sind Mediationskosten überschaubar und skalieren mit Komplexität, nicht automatisch mit Streitwert und Instanzen.

3) Vertraulichkeit und Reputationsschutz garantieren: Mediation unterliegt der Verschwiegenheit; sensible Themen bleiben aus der Öffentlichkeit heraus.

4) Geschäftsbeziehung können ggf. erhalten werden: Besonders in laufenden Liefer- und Projektbeziehungen ist ein interessenbasierter Ausgleich wertvoller als ein Urteil.

5) Ergebnisqualität und Vollstreckbarkeit: Abschlüsse können rechtssicher gestaltet werden und als Vollstreckungstitel taugen.

6) Erfolgswahrscheinlichkeit: Die Forschung zeigt regelmäßig hohe Einigungsquoten bis zu 50 %.

Wie stark wird Mediation tatsächlich genutzt? – Die Datenlage

Die Evaluierung des Mediationsgesetzes erfolgte 2017. Es ist die bislang die breiteste empirische Basis (auch wenn die Zahlen älter sind), auf die auch heute noch bezug genommen wird:
– 2015 wurden rund 7.944 Mediationen ermittelt (2016 ähnlich).
– Seit Inkrafttreten des MediationsG stagnieren die Fallzahlen auf niedrigem Niveau.
– Rund 5 % der Mediationen kommen über Gerichte zustande; vorgerichtliche Zugänge dominieren also deutlich.
– EU-weit liegt der Anteil der Mediationen an zivilrechtlichen Konfliktlösungen unter 1 %.

In welchen handelsrechtlichen Fallarten wird Mediation am häufigsten genutzt?

Laut Evaluationsstudie treten Mediationen besonders auf in
– Wirtschafts- und Bau-/Architektensachen (~15 %).
– Typische Konflikte auch im Bereich Bau-/Projekt-, Liefer- und Vergütungsstreitigkeiten, IP/IT-Leistungskonflikte, Gesellschafter-/Organstreitigkeiten, Handelsvertreter-/Vertriebsfälle.

Rolle und Mehrwert wenn erfahrene Handelsrichter Mediationen begleiten

Ehrenamtliche Handelsrichter bringen Praxisnähe und Branchenwissen ein – genau die Faktoren, die mediationsoffenes Verhalten begünstigen:
– Frühe Weichenstellung: In Gütegesprächen und frühen Terminen aktiv auf vorgerichtliche Mediation hinweisen.
– Passgenaue Fallselektion: Besonders bei laufenden Geschäftsbeziehungen.
– Akzeptanz durch Vorbild: Hohe Vergleichsraten zeigen das Potenzial für Mediation.

– Früh gelingende Einigungen entlasten die Kammern für Handelssachen.
– Eine funktionierende Vergleichs- und Mediationskultur stärkt den Wirtschaftsstandort.
– Die empirische Datenlage zeigt geringe Nutzung bei soliden Erfolgsquoten – ein unausgeschöpftes Potenzial.

Potentiale sind noch nicht ausreichend genutzt

Entlastung & Qualität

Früh gelingende Einigungen entlasten die Kammern für Handelssachen und auch andere Zivilgerichtsbarkeiten und halten Ressourcen für die wirklich präjudiziellen Fälle frei.

Standortfaktor Recht

Eine funktionierende Vergleichs- und Mediationskultur stärkt den Wirtschaftsstandort. Analysen zur Handelsgerichtsbarkeit zeigen, dass die Kammern für Handelssachen nicht als zentrale Anlaufstelle aller Wirtschaftsstreitigkeiten in Deutschland wahrgenommen werden. Ein proaktiver Umgang mit Mediation kann dieses Profil schärfen und die Anrufung in Handelsrechtlichen Streitigkeiten erhöhen und damit andere Zivilgerichte entlasten.

Realistische Erwartung

Die Datenlage ist klar: Deutschland hat noch Luft nach oben. Der Evaluationsbericht diagnostiziert eine Stagnation der Mediationszahlen; die EU-Vergleiche bestätigen die geringe Durchdringung. Genau hier können Handelskammern über informierte Hinweise und strukturierte Verweiswege (z. B. Mediationsfenster vor der Klage) unmittelbar Wirkung entfalten.

Fazit

Für handelsrechtliche Streitigkeiten ist Mediation kein „Entweder-oder“, sondern ein strategischer Vor-Schritt: Sie beschleunigt Lösungen, schützt Beziehungen, hält Kosten im Zaum und lässt sich rechtssicher vollstreckbar machen.

Quellen

– Evaluationsbericht der Bundesregierung zum Mediationsgesetz (BT-Drs. 18/13178, 2017).
– EU Justice Scoreboard 2022/2024.
– Schneider-Brodtmann, Wirtschaftsmediation/Deal-Mediation, Viadrina-Schriftenreihe, 2019.
– PwC-Studien zu Konfliktmanagement.
– JMBl. Schleswig-Holstein 2010: Bau- und Wirtschaftsmediation.